Zertifizierung von Biokunststoffen
Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es noch keine einheitlichen Definitionen für „Biokunststoffe“, „biologisch abbaubar“ oder auch „biobasiert“. Damit der Endverbraucher oder auch der Handel die Möglichkeit hat, biologisch abbaubare Kunststoffe bzw. Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen mit Sicherheit zu erkennen, können die Hersteller ihre Produkte unter anderem bei DIN CERTCO oder TÜV Austria zertifizieren lassen.
Zertifizierungsmöglichkeiten
Für Biokunststoffe sind unterschiedliche Zertifikate möglich. Diese unterscheiden sich vor allem im Hinblick auf die Temperatur, die Abbauzeit und das Umgebungsmedium, so dass sich die Normen für die Zertifizierung unterscheiden oder speziell angepasst werden. Des Weiteren ist eine Zertifizierung nach dem Gehalt an biobasierten Bestandteilen möglich.
Beschreibung | Norm |
---|---|
Heim- und Gartenkompostierbarkeit | NF T 51-800, AS 5810 |
Industrielle Kompostierbarkeit | DIN EN 13432, ISO 17088, EN 14995, ISO 18606, ASTM D 6400, ASTM D6868, AS 4736 |
Bioabbaubar in Boden | DIN EN 17033, DIN En 13432, DIN EN 14995 |
Bioabbaubar in Süßwasser | DIN EN 13432, DIN EN 14995 |
Bioabbaubar in Meerwasser | ASTM D6691 |
Additive | DIN EN 13432 |
Biobasierte Produkte | ASTM D6866, DIN EN 16640 |
Tabelle 1: Zertifizierungsnormen
Zertifizierung nach DIN 13432
Die wohl wichtigste Norm für kompostierbare Verpackungen ist die DIN 13432. Grundsätzlich wird bei der Kompostierung organische Materie unter Einfluss von Sauerstoff abgebaut. Nach der Norm 13432 müssen folgende Anforderungen an kompostierbare Produkte erfüllt werden:
- Schwermetalle, wie z.B. Kupfer oder Nickel, dürfen definierte Grenzwerte nicht überschreiten
- Innerhalb von 180 Tagen muss mindestens 90% der Polymermasse in Kohlenstoffdioxid umgewandelt sein
- Nach 12 Monaten dürfen nicht mehr als 10% Trockenmasse auf einem Sieb < 2 mm verbleiben; es muss also ein ausreichendes Desintegrationslevel erreicht sein
- Die Qualität des Komposts darf durch den Abbau des Biokunststoffs nicht leiden. Durch die Ökotoxizitätsanalyse, bei der ein Pflanzenwachstumstest auf einem Kompost mit biologisch abgebauten und desintegrierten Polymer im Vergleich zu einem normalen Kompost durchgeführt wird, kann dies festgestellt werden.
Wenn die Anforderungen erfüllt werden kann die Kompostierbarkeit in Form eines Zertifikats bestätigt werden. Bei Verpackungen gilt zu beachten, dass die Kompostierbarkeit nur bestätigt werden kann, wenn alle Verpackungsbestandteile kompostierbar und bioabbaubar sind. Lediglich bei Materialien, die sich leicht voneinander abtrennen lassen (z.B. Joghurtbecher und Deckel) kann eine Ausnahme erfolgen. Weiterhin muss die Dicke des Verpackungsmaterials niedriger sein als die maximale Dicke, in der das Material in den Tests biologisch abgebaut ist. Kunststoffe und Endprodukte, die nach DIN 13432 geprüft sind, erhalten das Kompostierbarkeitszeichen in Form des Keimlings und/oder das DIN-geprüft industriell kompostierbar Zeichen.
Weitere Zertifikate zur Kompostierbarkeit nach DIN 13432
Die DIN CERTCO hat speziell für Bioabfallbeutel ein Zertifizierungssystem entwickelt. In der Praxis ergeben sich bei Bioabfallbeutel in der Regel kurze Rottezeiten, so dass die Prüfmethode angepasst wurde und eine Abbauzeit von 6 Wochen betrachtet wird. Nach bestandener Prüfung erhält das Produkt das Label „DINplus Bioabfall-Beutel“.
Zertifizierung für Zusatzstoffe nach DIN 13432
Nach der DIN 13432 können ebenfalls Zusatzstoffe zertifiziert werden. Zu den Zusatzstoffen zählen:
- (Farb-)Master-Batches auf Basis biologisch abbaubarer Werkstoffe
- Wasser- und/oder lösemittelbasierte Druckfarben
- Organische Farbstoffe
- Anorganische Pigmente
Je nach Beschaffenheit und Zusammensetzung des Zusatzstoffes können zusätzlich folgende Prüfungen notwendig sein:
- Desintegration unter Kompostierungsbedingungen
- Regenwurmtoxizitätstests
- Pflanzenverträglichkeit
- Nitrifikationstest
Der Vorteil einer Zertifizierung für biologisch abbaubare Zusatzstoffe liegt darin, dass die Hersteller die Unbedenklichkeit ihrer Produkte für den Kompostierungsprozess nachweisen können.
Vergleich zwischen DIN 13432 und ASTM 6400
Kompostierbare Biokunststoffe können sowohl nach der deutschen Norm DIN 13432 als auch nach der amerikanischen Norm ASTM 6400 zertifiziert werden. Die Grundzüge der beiden Normen sind sehr ähnlich, jedoch unterscheiden sich die beiden in verschiedenen Details. Bei beiden Normen wird die Qualität des Komposts, die Desintegration, sowie die vollständige biologische bzw. vollständige anaerobe Abbaubarkeit überprüft und eine chemische Prüfung durchgeführt. Allerdings sind die Grenzwerte für die Schwermetalle bei beiden Normen unterschiedlich:
Schwermetall | Grenzwert (mg/kg) nach DIN 13432 | Grenzwert (mg/kg) nach ASTM 6400 |
---|---|---|
Zn | 150 | 1.400 |
Cu | 50 | 750 |
Ni | 25 | 210 |
Tabelle 2: Beispiele für den Vergleich der Grenzwerte
DIN 13432DIN 13432 | ASTM 6400 | |
---|---|---|
Abbaugrad | 90 % relativ zur Referenzsubstanz | Homopolymer 60 % und Mischpolymere 90% nicht absolut zu einer Referenzsubstanz |
Prüfdauer | Max. 6 Monate | Max. 6 Monate (bei radioaktiven Stoffen: 12 Monate) |
Ökotoxizitätstest | Zwei Pflanzenarten | Drei Pflanzenarten |
Tabelle 3: Zusammenfassung der weiteren Unterschiede
Weitere Zertifizierungsmöglichkeiten
Neben dem Label „industriell kompostierbar“ gibt es auch die Möglichkeit die Heim- und Gartenkompostierbarkeit zertifizieren zu lassen. Hierbei erfolgen die Prüfungen nach der AS 5810 oder NF T 51-800. Ebenso gibt es genormte Konditionen, um biologisch abbaubare Folien in der Landwirtschaft und im Gartenbau zu kennzeichnen. Die Folien werden nach dem Gebrauch zerkleinert, unterpflügt und mit Hilfe von Bodenorganismen abgebaut. Da sich die Abbaubedingungen somit im Vergleich zu den Kompostierungsbedingungen unterscheiden, erhalten die Folien z.B. das Label „OK biodegradable SOIL“. Weiterhin kann der Abbau in Süß- bzw. Meerwasser nach der DIN 13432, Din 14995 oder ASTM D6691 zertifiziert werden. Hier erhalten die Produkte das Label „OK biodegradable WATER“ oder „OK biodegradable MARINE“.
Verarbeitung
PHBV kann als Fasern, Netze, Folien, Laminate und Formteile (Extrusion, Thermoformen) verarbeitet werden. Vor der Verarbeitung muss auf die Lagerung des Materials geachtet werden. Das PHBV darf nicht bei hoher Luftfeuchtigkeit und warmen Orten (< 50°C) gelagert werden. Eine Vortrocknung bei ca. 100°C für 2 Stunden ist erforderlich, um einen hydrolytischen Abbau zu vermeiden. Die Verarbeitungstemperatur beträgt 130 bis 180°C und darf 190°C nicht überschreiten, da in diesem Fall eine thermische Schädigung auftreten kann. Da PHBV eine hohe Wärmespeicherkapazität hat ist es empfehlenswert bei der Compoundierung eine Unterwassergranulierung zu verwenden.
Zertifizierung für biobasierte Produkte
Zur Bestimmung des biobasierten Anteils in einem Biokunststoff können zwei verschiedene Ansätze genutzt werden:
- DIN EN 16640 bei der der Kohlenstoff-Anteil im Produkt betrachtet wird und dabei der biobasierte Anteil als Anteil des biobasierten Kohlenstoffs am Gesamtkohlenstoff in Prozent angegeben wird.
- DIN EN 16785-1 berücksichtigt den gesamten biobasierten Anteil (inkl. Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff) und betrachtet dann das Verhältnis zum nicht biobasierten Anteils.
Nach der erfolgreichen Durchführung der Prüfungen und positiver Konformitätsbewertung der Unterlagen, wird ein Zertifikat ausgestellt und somit das Nutzungsrecht für das Qualitätszeichen „DIN geprüft biobasiert“ erhalten. Dabei erfolgt je nach Prüfungsunternehmen eine Unterteilung in Qualitätsstufen.
Regularien in anderen Ländern
In anderen Ländern gibt es bereits fest vorgeschriebene Regularien im Hinblick auf die notwendigen Labels. So muss der biobasierte Anteil für Obst- und Gemüsebeutel in Italien bereits über 60 % betragen und die Tragetaschen, sowie Obst- und Gemüsebeutel müssen gemäß DIN 13432 zertifiziert sein und das Label „OK compost INDUSTRIAL“ tragen. In Frankreich ist ebenfalls für Obst- und Gemüsebeutel ein biobasierter Anteil von 50 % verpflichtend und die Beutel müssen gemäß NF T 51-800 das Label „OK compost HOME“ tragen. Ab Januar 2025 muss der biobasierte Anteil für Obst- und Gemüsebeutel über 60 %.