Processing
Biokunststoffe können prinzipiell wie jeder andere, konventionelle Kunststoff verarbeitet werden. Hierunter fallen die gängigen Verarbeitungsverfahren wie Spritzguss, Extrusion und Formpressen. Neben der eigentlichen Verarbeitung muss dem Biokunststoff zusätzliche Aufmerksamkeit geschenkt werden. Einige Materialien weisen aufgrund ihres strukturellen Aufbaus eine mehr oder weniger ausgeprägte Feuchtigkeitsaufnahme (Hydrophilie) auf. Diese muss vor der Verarbeitung entfernt werden, um einem hydrolytischen Abbau während des Prozesses entgegen zu wirken. Auch zu hohe Prozesstemperaturen können dem Kunststoff schaden, da dieser degenerieren kann und einen Verlust der mechanischen Eigenschaften mit sich bringen würde. Aus diesen Gründen ist eine Verarbeitung bei möglichst niedrigen Temperaturen in einem engen Prozessfenster empfehlenswert, was unter Umständen eine Modifikation von bestehendem Produktionsequipment nach sich zieht.
Compoundierung
Die Compoundierung von Biokunststoffen stellt nach der Herstellung des Basispolymers den ersten Prozessschritt zur Veredelung und Modifizierung dar. Das Grundpolymer wird während des Extrusionsprozesses mit anderen Polymeren (Blends) oder Additiven, Füll- und Verstärkungsstoffen vermischt, um die gewünschten Produkteigenschaften einzustellen. Bei der Compoundierung kommen i. d. R. Doppelschneckenextruder mit speziell konfigurierten Schnecken zum Einsatz (vgl. Abbildung 1), welche auf den Biokunststoff und dessen Zusätze angepasst sind. Bei dem Prozess wird das Material nach der Einzugszone plastifiziert, anschließend mit Additiven und Füllstoffen versetzt, entgast und über ein Düsenwerkzeug zu Strängen geformt. Diese werden anschließend gekühlt und zu Kunststoffgranulat verarbeitet.
Spritzguss
Spritzgießen ist das am weitesten verbreitetste Verfahren für thermoplastische (Bio)Kunststoffe, da sich mit ihm komplexe Formen in hoher Dimensionspräzision herstellen lassen. Sowohl Kleinbauteile als auch große Formteile, wie z. B. Kfz-Stoßfänger, lassen sich in großer Stückzahl relativ kostengünstig herstellen. Beim Spritzgießen wird der Kunststoff bzw. das Compound zunächst plastifiziert, gefördert und dann unter hohem Druck in ein Werkzeug gespritzt, wo seine endgültige Form definiert wird und das Bauteil abkühlt. Für Biokunststoffe kann dabei häufig auf bereits vorhandenes Equipment zurückgegriffen werden, wobei es jedoch einige Dinge zu beachten gibt.
Trotz ihrer Semikristallinität weisen die meisten Biokunststoffe einen niedrigen Schmelzpunkt auf und tendieren zu langsamer Kristallisation. Diesem Umstand kann der Einsatz von Nukleierungsmitteln entgegenwirken, was einerseits die Zykluszeit verringert und andererseits die Hitzebeständigkeit verbessert. Manche Biokunststoffe neigen dazu, auf metallischen Oberflächen festzukleben und Umgebungsfeuchtigkeit aufzunehmen. Aufgrund dieser hygroskopischen Materialeigenschaften müssen die Kunststoffe vor der Verarbeitung getrocknet werden, um einen Verlust der molekularen Masse und der Verringerung der Schmelzviskosität zu entgegnen. Bei der Umstellung von petrochemischen auf Biokunststoffe ist weiterhin deren Schwindungsverhalten zu berücksichtigen. Sollte es bei dem zu substituierenden Material zu großen Differenzen kommen kann der Prozess negativ beeinträchtigt werden und eine Nachbearbeitung des Werkzeugs ist notwendig. Der Biokunststoff sollte daher ein ähnliches Schwindungsverhalten aufweisen, wie sein ölbasiertes Pendant. Trotz dieser Umstände lassen sich nahezu alle Biokunststoffe spritzgusstechnisch verarbeiten und haben das Potenzial, erdölbasierte Kunststoffe zu ersetzen. Die meisten Hersteller von Biokunststoffen haben aus diesen Gründen spezielle Spritzgusstypen in ihrem Portfolio, welche beispielsweise einen höheren MFI (Melt-Flow-Index: Fließfähigkeit einer Kunststoffschmelze) aufweisen. Weiterhin werden, analog zu petrochemischen Kunststoffen, Temperaturprofile und weitere Verarbeitungsparameter empfohlen, die eine problemlose Verarbeitung garantieren sollen.
Geeignete Materialien für den Spritzgussanwendungen sind:
- Thermoplastische Stärke (TPS)
- Polyhydroxyalkonate (PHAs)
- Polylactid (PLA)
- Polybutylen Succinat (PBS)
- Polycaprolacton (PCL)
Blasfolie
Neben dem Spritzgießen stell die Herstellung von Blasfolien ein weiteres großes Segment dar. Blasfolien aus Biokunststoffen werden z. B. für (biologische abbaubare) Abfallbeutel, Einkaufsbeutel, Mulchfolien oder andere flexible Verpackungsanwendungen eingesetzt. Bei der Blasfolienextrusion wird der Kunststoff zunächst plastifiziert (i. d. R. mit einem Einschneckenextruder) und zu einer Ringdüse gefördert. Die Masse wird nach oben ausgestoßen und zu einem Schlauch geformt, welcher mit Luft aufgeblasen und nach oben mit höheren Geschwindigkeiten abgezogen wird, wodurch eine dünne, röhrenförmige Blase entsteht. Dabei haben Abzugsgeschwindigkeit und die Menge an eingeblasener Luft entscheidenden Einfluss auf den Zeitpunkt des Abkühlens, die Dicke sowie die Eigenschaften in Längs- und Querrichtung. Der Schlauch wird im nächsten Schritt flach zusammengelegt und als Schlauchfolie oder einseitig beschnittene Flachfolie aufgewickelt. Für die Blasfolienextrusion kommen i. d. R. Biokunststoffen mit einer niedrigeren Fließrate zum Einsatz. Zu beachten ist, dass einige Biokunststoffe eine geringere Schmelzestabilität aufweisen, was deren Verarbeitung sensibler macht. Durch den Einsatz mehrerer Extruder und verschiedener Materialien können Mehrschichtfolien aus Biokunststoffen hergestellt werden, wodurch sich die Materialeigenschaften – wie beispielsweise die mechanische Festigkeit oder Dehnbarkeit – an die geforderten Anwendungsbereiche anpassen lassen.
Geeignete Materialien für Blasfolien sind:
- PBAT/PLA
- PBAT
- PBS
- Copolyester/Stärke
- PLA (additiviert)
Flachfolie
Ein weiteres Verfahren zur Herstellung von Folien aus Biokunststoffen ist das sog. Flachfolienverfahren (auch Cast- oder Gießfolie). Mit dieser Verarbeitungstechnik lassen sich, ähnlich wie bei Blasfolien, Einkaufs- und Abfalltüten, Folien für die Verpackung von Blumen sowie Mulchfolien herstellen. Ein weiterer Trend geht zu mehrschichtigen, dickeren Folien, welche in einem nächsten Schritt zu thermogeformten Verpackungen, z. B. für Frischfleisch, verarbeitet werden. Im Gegensatz zur Blasfolie wird beim Flachfolienverfahren die Folie nicht aufgeblasen, sondern nach dem Düsenaustritt auf eine polierte Abkühlwalze geführt, über Chill-rolls weitergefördert und nach einem ggf. erforderlichen Randbeschnitt aufgewickelt. Die Foliendicke wird dabei über die Abzugsgeschwindigkeit gesteuert, gleichzeitig wird die Folie axial verstreckt, eine Vorrichtung zur Verstreckung in Querrichtung kann optional in die Anlage eingebracht werden. Weiterhin kann neben einer Inline-Foliendickenmessung auch eine Corona-Behandlung zur Erhöhung der Oberflächenspannung in die Anlage integriert sein. Durch die geschickte Kombination verschiedener Biokunststoffe und Additive lassen sich so Drei- bis Fünf-Schicht-Folien herstellen, welche signifikante Verbesserungen in der Gas-, Dampf- und Aromabarriere aufweisen, ohne dabei an mechanischen Eigenschaften einzubüßen
Thermoformen
Thermoformen, oder auch Tiefziehen, ist eine Weiterverarbeitungsmethode für Flachfolien zu beispielsweise Schalen, Bechern und weitere Behältnisse für Lebensmittel. Aber auch biologisch abbaubare Kaffeekapseln oder Blister-Verpackungen lassen sich mit diesem Verfahren effizient herstellen. Die Produktion kann off- oder inline erfolgen. Die Folie wird der taktweise zugeführt und mittels Heizstrahler erwärmt. Das Ausformen in der Kavität erfolgt mechanisch (mit Hilfe eines Stempels) oder pneumatisch. Bei Letzterem wird ein Vakuum von unten angelegt, welches die Folie auf Formoberfläche zieht, wo sie erstarrt. Im letzten Schritt werden überstehende Rest abgestanzt. Die technischen Eigenschaften der Verpackungen entsprechen denen der zuvor hergestellten Folie und sind auf den Einsatzzweck angepasst. Sollen Biokunststoffe im Lebensmittelbereich eingesetzt werden, bestehen besondere Anforderung an Barriereeigenschaften gegenüber Sauerstoff, Wasserdampf, Aromastoffen und Fetten. Um dies zu erfüllen, können neben Mehrschichtsystemen auch Füll- oder Beschichtungsstoffe eingesetzt werden, um beispielsweise die Sauerstoffdurchlässigkeit von PLA, welches sich gut zum Thermoformen eignet, deutlich zu senken.
Extrusions-Blasformen
Hohlkörper aus Biokunststoffen wie Flaschen, Kanister etc. werden mit dem Extrusions-Blasformverfahren hergestellt. Nach dem Aufschmelzen des Kunststoffs wird dieser senkrecht nach unten durch eine Ringspaltdüse gedrückt und es bildet sich ein schlauchförmiger Vorformling. Das ihn umgebende Blasformwerkzeug wird geschlossen und der Vorformling wird mit Druckluft aufgeblasen. Das Material erhärtet an den gekühlten Innenwänden des Werkzeugs und kann anschließend entnommen werden. Ein artverwandtes Verfahren stellt das Streckblasformen dar, welches fast ausschließlich für die Herstellung von (Getränke-) Flaschen zum Einsatz kommt. Die Preform wird im ersten Schritt als Spritzgussteil hergestellt und ähnelt einem Reagenzglas mit Gewindehals. In einem darauffolgenden, separaten Schritt wird die Preform erwärmt und im Formwerkzeug mit einem Reckdorn und Druckluft verstreckt, so dass sich die Form ausfüllt. So lassen sich besonders dünnwandige Behältnisse herstellen. Für beide Verfahrenstechniken ist PLA häufig das Material der Wahl, aber auch Blends mit PLA kommen zum Einsatz.
Schäumen
Das Schäumen von Kunststoffen kommt immer dann zum Einsatz, wenn das Gewicht bzw. die Dichte eines Materials reduziert werden soll. Weitere Vorteile von geschäumten Strukturen sind gute Wärme- und/oder Schalldämmungseigenschaften. Das Schäumen kann durch physikalische oder chemische Prozesse realisiert werden. Beim physikalischen Schäumen wird die Schmelze mit niedrigschmelzenden Flüssigkeiten versetzt, welche während des Prozesses verdampfen und Gasbläschen bilden. Das chemische Schäumen beruht auf der Zugabe von Feststoffen und kann mit dem Einsatz von Backpulver verglichen werden. Die zugegebenen Feststoffe zerfallen bei höheren Temperaturen während des Prozesses unter der Freigabe von Gas (meist CO2). Schäume aus Biokunststoffen können unter anderem aus reinem PLA, TPS und PLA/PBAT hergestellt werden. Als Beispiel dienen Verpackungschips aus Stärke.
Weitere Verarbeitungsmethoden
Vernetzen
Die Vernetzung von Biokunststoffen ist eine Möglichkeit, durch energetische Strahlung die Materialeigenschaften zu verbessern. Bei teilkristallinen, thermoplastischen Kunststoffen wird deren Polymerstruktur dahingehend verändert, dass sie sich einem Duroplast ähneln. Untersuchungen haben gezeigt [Quelle ifbb], dass sich die mechanischen Eigenschaften von PLA, insbesondere die Biegefestigkeit, durch Elektronenbestrahlung positiv beeinflussen lassen. Abbildung X zeigt die Funktionsweise einer Strahlenvernetzung am Beispiel eines teilkristallinen Polymers. Ob es bei der Bestrahlung von Biokunststoffen zu einem Abbau oder Vernetzung kommt, hängt vom jeweiligen Polymer ab. Vernetzende Biokunststoffe sind beispielsweise PBAT und PBS. PLA würde sich hingegen abbauen, durch den Einsatz von Vernetzungshilfsmittel hingegen vernetzt sich auch PLA, für PHB gilt dies im selben Umfang.
Faserverstärkung
Faserverstärkungen werden immer dann eingesetzt, wenn die mechanischen und/oder thermomechanischen Eigenschaften eines Kunststoffs verbessert werden sollen. Bei Biokunststoffen liegt der Fokus vor allem auf dem Einsatz von NFK (Naturfaserverstärkte Kunststoffe), um dem Aspekt der Nachhaltigkeit und fossilen Ressourcenschonung gerecht zu werden. Als Fasern können sowohl Kurz-, als auch Langfasern eingesetzt werden, sie können organischen (pflanzlich oder tierisch) oder anorganischen Ursprungs sein (mineralisch). Analog zu den petrochemisch basierten Faserverbundwerkstoffen kommen im Bereich der Biokunststoffe als Matrixmaterial Thermoplaste und Duroplaste zum Einsatz. Thermoplastische Matrizes können dabei aus den gängigen Biokunstoffen wie PLA, PBS, PHB, PHBV und Stärke-Blends hergestellt werden. Pflanzenöle, Lignin, Kohlenhydrate und Terpene stellen mögliche Quellen für die Herstellung von Duroplasten aus erneuerbaren Ressourcen dar. Durch passende Kombination lassen sich NFK für beispielsweise Terrassenbeläge (WPCs), Automobilanwendungen aber auch sonstige technische Anwendungen herstellen.